Auf dem Strafverteidigertag als Nebenklagevertreter - Konfliktdiskussionen

24.03.2012 | AutorIn:  Dr. Oliver Tolmein | Nebenklage, Strafrecht

Der Strafverteidigertag ist, wie der Name schon sagt, keine neutrale Veranstaltung. Wenn man, wie ich, als Nebenkläger zur Diskussion über "Opferschutz und Nebenklage" geladen wird (36. Strafverteidigertag in Hannover), darf man kein begeistertes Publikum erwarten und sich über Kritik nicht wundern.

Gewundert habe ich mich dann aber allen guten Vorsätzen zum Trotz doch etwas, weil einer der immer wieder formulierten Kritikpunkte darauf zielte, dass die Nebenklagevertreter "zu aggressiv" auftreten.

Dass ausgerechnet Strafverteidiger, die mit guten Gründen die Instrumente der Strafprozessordnung offensiv im Interesse ihrer Mandanten nutzen und die sich dagegen verwahren, dass das als "Konfliktverteidigung" gescholten wird, nun Nebenklagevertretern vorhalten, dass sie die Instrumente, die die Strafprozessordnung ihnen an die Hand gibt offensiv im Interesse ihrer Mandanten nutzen, erscheint mir etwas irritierend.

Ich weiß wohl, dass Strafverteidiger eine andere Rolle im Gerichtssaal haben, als ein Nebenklagevertreter - aber gerade in Verfahren, in denen es um den Vorwurf einer Sexualstraftat geht, trifft die Feststellung von Verteidigerseite keineswegs immer zu, dass der Angeklagte im Gerichtssaal nur einen Freund hat, nämlich seinen Verteidiger. Und auch wenn auf dem Strafverteidigertag in der Arbeitsgruppe "Nebenklage und Opferschutz" die Auffassung bei weitem überwog, dass gerade in Verfahren, in denen es um sexualisierte Gewalt geht, kein nennenswerter Bedarf an opferschützenden Maßnahmen besteht, weil sich die Prozesse seit den 1980er Jahren grundlegend verändert haben sollen, erscheint mir dieser Befund in dieser Allgemeinheit unzutreffend.

Das Fazit der Arbeitsgruppe, entnehme ich den Berichten aus den Arbeitsgruppen, war: "Es sprechen daher gewichtige Gründe dafür, die Nebenklage abzuschaffen und die Verletzten von Straftaten zur Durchsetzung ihrer Rechte auf ein noch zu schaffendes Institut eines isolierten Opferschutzverfahrens zu verweisen, bei dem umgekehrt die »Verletztenvermutung« (von Galen) gilt."

Das finde ich, wie schon in der Debatte geäußert, nicht nur wenig erfolgversprechende Idee, sondern eine groteske dazu: Gegen den Tatverdächtigen wird unter der "Unschuldsvermutung" verhandelt und er wird möglichst freigesprochen; dann folgt das Verfahren zugunsten des Geschädigten, das unter der "Verletztenvermutung" geführt wird und die Opferrolle zuerkennt und anschließend wird ein Opferentschädigungsverfahren geführt, das unter dem Wirtschaftlichkeitszwang steht und das dazu führt, dass der Staat keine Entschädigung nach dem OEG zahlen muss - dann hat jeder die prozessuale Wahrheit, die er braucht:

Der Angeklagte hat als Alternative zur Freiheitsstrafe (so das Thema, des 36. Strafverteidigertages) seine Freiheit; dem Opfer wird versichert, dass es Opfer ist und es erfährt Zuwendung und der Staat muss nichts zahlen. Wunderbar.

Bis wir soweit sind, werde ich allerdings gerne im Gerichtssaal die Konflikte austragen und prozessual zu klären versuchen, die dort sind.

Gelegentlich als Strafverteidiger und etwas öfter als Nebenkläger oder Anwalt in OEG-Verfahren - warum ich der Auffassung bin, dass die Interessen der Geschädigten recht oft andere sind, als die von Staatsanwaltschaft und Gericht können Sie dann bisweilen in diesem Blog lesen.

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