Cannabis im Eigenanbau ausnahmsweise erlaubnisfähig

16.04.2016 | AutorIn:  Kanzlei Menschen und Rechte | Aktuelles

Der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat heute eine wegweisende Entscheidung getroffen, die auch wenn das Urteil eine Einzelfallentscheidung darstellt für Patienten, die auf Cannabis als Medizin angewiesen sind, insgesamt von großer Bedeutung ist. Die Richter haben das Bundesamt für Arzneimittel verpflichtet dem Kläger eine Erlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis zu erteilen (3 C 10.14).

In den nächsten Tagen werden wir eine Handreichung für Patienten auf unserer Internetpräsenz veröffentlichen.

Damit ist das oberste deutsche Verwaltungsgericht der Revision des Klägers gefolgt, der von der Kanzlei Menschen und Rechte vertreten wird. Zwar hatten auch die Vorinstanzen, das VG Köln und das OVG NRW, dem Kläger, der 2000 seinen ersten Antrag auf Erteilung einer Genehmigung zum Eigenanbau gestellt hatte, teilweise recht gegeben. Sie hatten entschieden, dass die Versagung der Erlaubnis zum Eigenanbau in dieser Form keinen Bestand haben konnte. Die Richterinnen und Richter der Tatsacheninstanzen waren aber der Auffassung, dass die Beklagte noch die Möglichkeit haben würde, ihr Ermessen auszuüben und deswegen nur verurteilt werden könnte, ermessensfehlerfrei zu entscheiden. Dagegen erkannte der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts an, dass im konkreten Fall des an Multipler Sklerose mit schweren Ataxien erkrankten Klägers die Erteilung der Ausnahmeerlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis wegen der von Art 2 Absatz 2 Satz 1 GG geforderten Achtung vor der körperlichen Unversehrtheit rechtlich zwingend vorgezeichnet ist, so dass das der Behörde eröffnete Ermessen „auf Null“ reduziert ist. Deswegen wurden die Urteile der Vorinstanzen entsprechend abgeändert. Die Die Revision der Beklagten, die darauf zielte den Eigenanbau ganz versagen zu dürfen wurde, abgewiesen.

Der 3. Senat führt damit seine Entscheidung von 2005 fort, die begründet hatte, dass auch die medizinische Versorgung einzelner Patienten im öffentlichen Interesse ist und damit eine Ausnahmegenehmigung nach § 3 BtmG rechtfertigen kann. Ergebnis dieser Entscheidung ist, dass seitdem Ausnahmegenehmigungen von der Bundesopiumstelle ausgestellt werden, die den Patienten erlauben Cannabis über die Apotheke zu beziehen. Solche Genehmigungen wurden bislang etwa 600 Patienten erteilt. Allerdings können viele der Betroffenen sich die Kosten für Cannabis aus der Apotheke nicht leisten (je nach Bedarf betragen sie 600 bis 2000 EUR/Monat) und die Krankenkasse übernimmt die Kosten für Cannabis auch nicht, wenn es aus der Apotheke bezogen wird. Deswegen stellt der Eigenanbau die einzige Möglichkeit für die schwerkranken Betroffenen dar, das benötigte Cannabis, das die einzige Behandlungsmöglichkeit darstellt auch tatsächlich zu erhalten.

Keine wichtige Rolle in dem Verfahren spielte der Gesetzentwurf mit dem Bundesgesundheitsminister Gröhe ermöglichen will, dass Ärztinnen und Ärzte Patienten Cannabis zu Lasten der GKV verordnen können. Das lag vor allem daran, dass der Gesetzentwurf an der konkreten Situation der Patienten in der nächsten Zeit nichts verändern wird: derzeit ist offen wann und mit welchen Regelungen er genau verabschiedet werden wird. Nach der Verabschiedung wird es zudem einige Zeit dauern, bis eine ausreichende Menge standardisierten Cannabis‘ zur Verfügung steht. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung darauf hingewiesen, dass das BfArM die Möglichkeit hat, Nebenbestimmungen zur Eigenanbauerlaubnis zu erlassen. Diese Kompetenz ergibt sich aus § 9 Abs 2 Nr. 1 BtmG. Diese Nebenbestimmungen können sich vor allem auf die Sicherheit des Anbaus oder die Menge beziehen. Auch hier muss die BfArM aber die Rechtsauffassung des Gerichts berücksichtigen (und darf daher keine unangemessenen Auflagen erteilen, die den Eigenanbau faktisch unmöglich machen). Auch wenn die Entscheidung des BVerwG eine Einzelfallentscheidung ist, sind die dort erläuterten Grundsätze auch in anderen Verfahren zu beachten. Sie wird also eine Entscheidung sein, auf die sich Betroffene beziehen können, solange das erforderlich ist, weil sie Cannabis nicht zu Lastender GKV verordnet bekommen können. Insofern wird die aktuelle Entscheidung des BfArM vermutlich die Weiterentwicklung, Beratung und Verabschiedung des Gesetzentwurfes von Bundesgesundheitsminister Gröhe befördern.

 

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