Conterganstiftung besonders eilig: Sachverständige ohne Gesetzentwurf

20.11.2016 | AutorIn:  Oliver Tolmein | Aktuelles, menschenundrechte.de, Behindertenrecht

Der Koalitionsentwurf für das 4. Conterganstiftungsänderungsgesetz liegt noch nicht vor. Aber die Anhörung im Familienausschuss ist schon auf den 28. November terminiert. Rechtsanwalt Dr. Tolmein ist als Experte geladen, kann aber derzeit nur vermuten, wie das Gesetz reformiert werden soll.

Freitagmorgen erreicht mich die Einladung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages. Am 28. November soll ich als Sachverständiger zum „Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes“ Stellung nehmen. Das mache ich, wie schon 2013 beim 3. Conterganstiftungsänderungsgesetz, natürlich gerne.

Es ist diesmal aber etwas schwieriger als vor drei Jahren, denn der Gesetzentwurf zu dem ich mich sachverständig äußern soll, ist noch gar nicht in den Bundestag eingebracht worden. Es gibt ihn noch nicht. Immerhin wird versproch: sobald der Entwurf vorliegt, soll er uns dann auch gleich per E-Mail übersandt werden. Und für die schriftliche Stellungnahme habe ich dankenswerterweise auch noch bis zum 25.11. Zeit. Das nennt man wohl überhastet. Tempo hilft einem geordneten Gesetzgebungsverfahren in der Regel wenig. Zumal zu befürchten ist, dass es diesmal nicht, wie beim 3. Conterganstiftungsänderungsgesetz 2013, um verbesserte Leistungen für die Menschen mit Conterganschäden geht, sondern um eine Veränderung der Strukturen der Stiftung. Die erscheint mir zwar auch unverzichtbar. Aber sie sollte nicht im Hauruck-Verfahren, ohne vorbereitende Diskussion mit den Betroffenen durchgezogen werden. Artikel 4 Abs 3 der UN-Behindertenrechtskonvention, der die Allgemeinen Verpflichtungen der Vertragstaaten regelt, verlangt: „Bei Entscheidungsprozessen in Fragen, die Menschen mit Behinderungen betreffen, führen die Vertragsstaaten mit den Menschen mit Behinderungen (…) enge Konsultationen und beziehen sie aktiv ein.“

Dass auch uns Sachverständigen für die Vorbereitung der Anhörung nur wenige Tage Zeit bleiben wird, macht die Angelegenheit weder seriöser noch besser.

Auch keine Geschichte am Rande ist, dass auch bei dieser Anhörung, wie schon zuvor bei der Anhörung zum Bundesteilhabegesetz im Ausschuss für Arbeit und Soziales, wohl nicht ausreichend  viele Plätze für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer bereit stehen werden. Der Bundestag hat im Jahre 22 nach der Einführung des Benachteiligungsverbotes für Menschen mit Behinderungen und sieben Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention keinen (in Zahlen: 0) Saal, in dem eine Anhörung mit mehr als neun Rollstuhlfahrerinnen und -fahrern stattfinden kann. Dass die Anhörung ansonsten barrierefrei stattfinden wird, ist auch nicht ausgemacht.

 

 

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