Größte Öffentlichkeitsfahndung in der Geschichte Hamburgs rechtswidrig

24.05.2009 | AutorIn:  Kanzlei Menschen und Rechte | Aktuelles

Die öffentliche Fahndung nach drei Tschetschenen im August 2005, bei der mehr als 1500 Hamburger Polizisten unzählige Personen- und Verkehrskontrollen durchführten und in deren Rahmen auch Lichtbilder der Betroffenen in allen Medien veröffentlicht wurden, war rechtswidrig, so entschied heute der Vierte Senat des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts. Diese spektakuläre Entscheidung, die nach 3 ½ jährigem Verfahren erstritten wurde, hat Bedeutung weit über den Einzelfall hinaus. „In Hamburg fehlt eine klare gesetzliche Grundlage, die Öffentlichkeitsfahndungen regelt und dabei die Grundrechte der Betroffenen wahrt“ resümiert Rechtsanwältin Dr. Babette Tondorf von der Kanzlei Menschen und Rechte, die einen der unter Verdacht geratenen Tschetschenen in dem Verfahren vertrat, das am Donnerstag vor dem OVG Hamburg verhandelt wurde.

Die Kläger dieses Verfahrens waren durch eine Aussage eines syrisch stämmigen Zeugen in den Verdacht geraten, ein Bombenattentat geplant zu haben. Dieser Zeuge hatte angeblich an einer Bushaltestelle gehört, wie die Männer auf arabisch sagten „Morgen werden wir Helden vor Allah sein“. Nach Festnahme der Männer stellte sich der Verdacht als haltlos heraus, der Belastungszeuge wollte sich nur wichtig machen. Die Kläger gelten allerdings aufgrund der Veröffentlichung ihrer Bilder und der Medienberichterstattung, die auch in Russland aufgegriffen wurde, in ihrer Heimat bis heute als tschetschenische Terroristen.

Das Gericht entschied jetzt: Paragraph 21 des Hamburgischen Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei, auf den die Polizei ihre aufwändigen Maßnahmen stützte, tauge nicht als Ermächtigungsgrundlage für eine solche Öffentlichkeitsfahndung. Es sei schon äußerst fragwürdig, ob diese Norm angesichts der strengen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Bestimmtheit von Gesetzen, die mit tiefgreifenden Grundrechtseingriffen verbunden seien, überhaupt verfassungskonform sei. Im übrigen hätten deren tatbestandliche Voraussetzungen – lege man diese verfassungskonform aus – nicht vorgelegen.

(OVG Hamburg 4 Bf 213/07)

 

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