Gutes neues Jahr wünschen wir und blicken auf 2014 zurück

01.01.2015 | AutorIn:  Kanzlei Menschen und Rechte | Aktuelles

2014 war ein Jahr mit schönen Erfolgen, aber auch einigen schwierigen Niederlagen für uns. Auf 2015 sind wir gespannt: es könnte wichtige Entscheidungen mit sich bringen.

Beamtenanwärter hatten es bei uns im vergehenden Jahr 2014 besonders gut. Sämtliche Mandantinnen und Mandanten, die mit unserer Unterstützung gegen die Versagung ihrer Verbeamtung wegen angeblicher "gesundheitlicher Ungeeignetheit" geklagt hatten, hierunter eine Lehrerin mit einer Hörbehinderung, eine Lehrerin mit Verdachtsdiagnose einer Autoimmunerkrankung und ein Hochschullehrer mit Psychotherapieerfahrung, waren erfolgreich.

Beamte, aber auch andere Beschäftigte in sicheren Arbeitsverhältnissen, profitieren künftig von der von uns ebenfalls in 2014 erstrittenen Entscheidung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 4.8.2014 (B 11 AL 5/14 R), die die Gleichstellung mit Schwerbehinderten nach § 2 Abs. 3 SGB IX ermöglicht. Das Bundessozialgericht begründete das neue erweiterte Verständnis des § 2 Abs. 3 SGB IX unter anderem mit Art. 27 der UN-Behindertenrechtskonvention und den Artikeln 21, 26 der Grundrechtecharta der Europäischen Union.

Ein weiterer Erfolg vor dem Bundessozialgericht betraf die Frage des Rechtsweges: Gebärdensprachdolmetscher können nun grundsätzlich gegen Krankenhäuser auf Honorarzahlung vor dem Sozialgericht klagen – und nicht vor den ordentlichen Gerichten, wie das Sozialgericht und das Landessozialgericht Hamburg meinten. Ob schlussendlich die Krankenkassen oder die Krankenhäuser zahlen müssen, wird sich hoffentlich 2015 klären.

Im arbeitsrechtlichen Referat spielte auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eine Rolle. Hier ist es uns in einigen Fällen trotz der eher restriktiven Rechtsprechung, für diskriminierte Bewerberinnen und Bewerber gelungen beachtliche Entschädigungen zu erstreiten. In zivilrechtlichen Verfahren haben wir dagegen auch dieses Jahr wieder recht unterschiedliche Erfahrungen mit dem AGG gemacht: während es bei Verträgen zum Beispiel auch über Theatersitzplätze für Menschen mit Behinderungen hilfreich war, erweist es sich beispielsweise in Auseinandersetzungen mit Versicherungen als schwierig, weil deutsche Gerichte dazu neigen, Benachteiligungen als krankheitsbedingt und nicht als behinderungsbedingt anzusehen. Benachteiligungen wegen einer Erkrankung werden aber nicht vom AGG erfasst. Hier könnte eine Entscheidung des EuGH, die kurz vor Jahresschluss 2014 getroffen wurde, künftig helfen: In der Sache Kaltoft (C-354/13) entschieden die Richter, dass der europäische Behinderungsbegriff dynamisch ist und auch ein Zustand wie Adipositas als Behinderung angesehen werden kann, wenn dadurch der Betreffende an der vollen und wirksamen Teilhabe gehindert wird.

In besonders dramatischem Maße ging es um die Unterscheidung von Krankheit und Behinderung in unserem traurigsten und bittersten Fall des letzten Jahres: Unser Versuch das Lebens des knapp dreijährige Muhammet Eren Dönmez zu retten, indem wir versuchten einen Platz für ihn auf der Warteliste für Herztransplantationen zu erstreiten, ist in erster Instanz gescheitert. Kurz nachdem wir die Berufung eingelegt hatten, starb er an den Folgen einer Hirnblutung. Das auch öffentlich viel beachtete Verfahren hat verdeutlicht, wie schlecht es um den Rechtsschutz von Transplantationskandidaten im TPG bestellt ist.

Ein wichtiger Teil unserer Arbeit 2014 betraf auch die Stärkung der Rechte der Schwerbehindertenvertretungen, sei es in Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite oder in Beschlussverfahren vor den Arbeitsgerichten. Weitere Schwerpunkte unserer Arbeit bildeten 2014 zudem die zeitnahe Durchsetzung der Stiefkindadoption innerhalb von gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften, Verfahren um Inklusion in Schulen, die Ausarbeitung und Durchsetzung von Behindertentestamente, Nachteilsausgleiche für Studierende mit Behinderungen, Verfahren gegen die Einkommens- und Vermögensanrechnung bei SGB XII Bezug, die Vertretung von Menschen mit Contergangeschädigungen gegen die Conterganstiftung und Prozesse um den Eigenanbau von medizinisch genutztem Cannabis durch Patienten. Auch spezielle Rechtsfragen der Elternschaft homosexueller Paare im Sorge- und Umgangsrecht, bei Auslandsadoption und Leihmutterschaft, wie etwa die jüngste Anerkennung der Rechtswirkungen einer US-amerikanischen Leihmutterschaft durch den BGH mit Beschluss vom 10.12.2014 (XII ZB 463/13) haben uns 2014 beschäftigt und werden uns 2015 weiter beschäftigen.

Ausgebaut haben wir auch unserer Tätigkeit im Bereich des Stiftungsrechts; neben Beratung bieten wir hier in Kooperation mit "filia – die frauenstiftung" eine Erbrechtssprechstunde zu Rechtsfragen der Zuwendung an gesellschaftspolitisch engagierte Stiftungen an.

Sowohl Rechtsanwältin Gabriela Lünsmann, als auch Rechtsanwältin Dr. Babette Tondorf und Rechtsanwalt Dr. Oliver Tolmein waren in erheblichem Umfang als Referentinnen und Referenten zu behinderten- und antidiskriminierungsrechtlichen Themen aktiv. Unter anderem haben sie im Auftrag der Hamburger Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in acht Veranstaltungen zur UN-Behindertenrechtskonvention geschult. Rechtsanwältin Gabriela Lünsmann war auf der Fachtagung "Fragestellungen der sexuellen Orientierung, gleichgeschlechtlichen Lebensweisen und geschlechtlichen Identitäten" der Hamburger Behörde für Justiz und Gleichstellung im Juli 2014 als Expertin vertreten. Rechtsanwalt Dr. Oliver Tolmein wurde mehrfach als Experte im Deutschen Bundestag bei Anhörungen von Ausschüssen und Fraktionen gehört. Rechtsanwältin Dr. Babette Tondorf ist im November 2014 in den Vorstand des Hamburgischen Anwaltsverein gewählt worden, welchem ein interessantes Jahr 2015 bevorsteht, da der Deutsche Anwaltstag im Juni in Hamburg stattfinden wird.

 

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