NSU-Recht zufällig oder: Warum sollen nicht Bild-Reporter für die taz schreiben?

30.04.2013 | AutorIn:  Dr. Oliver Tolmein | Strafrecht

Dass den Münchner Richtern im NSU-Verfahren nichts besseres eingefallen ist als die Presseplätze in einem durch fragwürdige Poolbildung modifizierten Losverfahren zu verteilen, ist trostlos.

Andererseits: Was erwartet man von einem bayrischen Staatsschutzsenat. Juristen werden nicht dafür bezahlt kreativ zu sein. Sie haben drögere, manche meinen wichtigere Aufgaben. Recht zu sprechen beispielsweise.

Dass ihnen das häufig auch nicht besonders gut gelingt, eint sie mit den Medienvertretern, die ja auch nicht jeden Tag brillante Texte verfassen, sondern oft genug ziemlich schlechte (gerade über Rechtsprechung übrigens).

Das Los hat jetzt entschieden und es zeigt sich, dass der Zufall vielleicht wenn er als Kommissar in Erscheinung tritt die Aufklärung voran treiben kann, fürs alltägliche Geschäft ist er aber kein Gerechtigkeit schaffender Gesell.

Statt dessen hat er einem freien Journalisten, der sonst sein Geld als Messespezialist verdient eine solide Einnahmechance verschafft, die Oberhessische Presse der FAZ vorgezogen und die Lübecker Nachrichten der taz.

Das "Bild" einen Platz bekommen hat, zeugt davon, dass offenbar auch das Glück die Auflage stets im Blick hat. Bei dem Losentscheid zugunsten von Brigitte ist allein rätselhaft, was die Redaktion bewogen haben mag, sich überhaupt an diesem Verfahren zu beteiligen?

Beate Zschäpe ist aus dem Young Miss Alter deutlich heraus und ihre Diätgewohnheiten dürften angesichts der Anstaltskost von geringem Interesse sein. Jetzt kommt, was kommen muss: die nächste Verfassungsbeschwerde derer, die diesmal zu kurz gezogen haben. Gründe dafür gibt es einige, aber man kann sich auch fragen: warum nehmen die Kolleginnen und Kollegen die Herausforderung nicht einfach auf und demonstrieren dass ihnen die sprühende Kreativität zu eigen ist, die sie beim Gericht (zu recht) vermissen.

Die FAZ könnte den Korrespondenten von "Hürriyet" bitten, die aktuelle Berichterstattung zu übernehmen, für die "Welt" könnte Al Jazeera übernehmen, der arabische Sender, den das Münchner Gericht aus unerfindlichen Gründen dem Pool "türkischsprachige Medien" zugeordnet hat.

Die „taz“ könnte ihre bereits vorgetrampelten Pfade breiter auswalzen: da Kai Diekmann schon mal als alternativer Chefredakteur mediieren durfte, könnte sich sein NSU-Prozess-Korrespondent doch auch gleich als Autor zum Einheitslohn mit verdingen. Das würde auch helfen die Frage zu klären, ob BILD-Redakteure wirklich so sind, wie sie in ihrem Blatt schreiben oder ob in ihnen auch noch etwas ganz anderes steckt.

Kurz: Das Münchner Losverfahren könnte die deutsche Medienlandschaft, in der Schreiber mit Migrationshintergrund ebenso selten auftauchen, wie auf der Richterbank,ein wenig aufmischen - und das würde sicher nicht zur Langeweile beitragen. Die Hintergrundbericht, Analysen und investigativen Recherchen können die engagierten Medien ja dennoch weiterhin mit ihren eigenen Kräften betreiben.

Oft genug werden diese auch im Gerichtssaal ein Plätzchen finden: ganz sicher werden die meisten der nun durch das Los Beglückten nämlich nicht in den nächsten zwei Jahren jeweils drei Tage die Woche im Verhandlungssaal des 6. Senats verbringen und den Schlagabtausch der mehr als zwanzig Rechtsanwälte untereinander im Detail verfolgen.

Und wenn es dort nach der Anklageverlesung doch einmal eng werden sollte, könnten die Gerichtsspezialisten auch mal ins nahe gelegene Sozialgericht ausweichen:

Dort finden Verfahren statt, die auch recht viel über die Lebensverhältnisse von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund erzählen.

 

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