Alles Gute für 2017

01.01.2017 | AutorIn:  Kanzlei Menschen und Rechte | Aktuelles, Kanzlei Intern

2016: das waren für uns unter anderem: zwei gewonnene Verfassungsbeschwerden (Behindertenparkplatz, Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 3 Satz 2 GG: 1 BvR 2012/13 -; Pflege im Arbeitgebermodell, Verstoß gegen Art 19 Abs. 4 G: 1 BvR 1630/16 -) Dass uns dann auch noch das Bundesverwaltungsgericht Recht gegeben (Az.: 3 C 10.14) und die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet hat, schwerkranken Patienten zu erlauben, Cannabis als Medizin für sich selbst anzubauen, war ebenfalls höchst erfreulich. Allerdings hat das Bundesamt für Arzneimittel erst zwei unserer Mandanten die begehrte Eigenanbauerlaubnis erteilt.

Das ist die tristere Seite mancher schönen Erfolge: Menschen mussten hier in oft jahrelangen, für sie höchst belastenden Prozessen bis zu den Bundesgerichten ziehen, um Selbstverständlichkeiten zu erhalten: wie die Kosten für eine notwendige ambulante Pflege oder die Möglichkeit eine teure Medizin, die die Krankenkassen nicht zur Verfügung stellen, wenigstens im Wege der Selbsthilfe weitgehend kostenfrei selbst anzubauen zu können.

So sehr wir uns dem Rechtsstaat verpflichtet fühlen, für etwas mehr sozialstaatliches Bewusstsein in den Behörden, aber auch in der Politik, wären wir gerne bereit, auf Beschäftigung und dann auch auf einige gerichtliche Erfolge zu verzichten.

Das gilt erst recht für das wohl dramatischste Verfahren, das unsere Kanzlei in 2016 zu einem Erfolg geführt hat: einer lebensbedrohlich an Krebs erkrankten Frau warf die Staatsanwaltschaft Kiel vor, sie habe versucht ihren Ehemann zu ermorden. Die Frau war im sog. Sicherungsverfahren wegen des Verdachts fortbestehender Gefährlichkeit in der Psychiatrie untergebracht worden. Sie war nach intensiven medizinischen Behandlungen von Hirnmetastasen, die im Zuge einer bereits langjährig bestehenden Krebserkrankung aufgetreten waren, unvermittelt nachts mit einem Messer zunächst auf ihren Mann losgegangen, dann hatte sie sich selbst verletzt. Der psychiatrische Erstgutachter vertrat die These, dass die Tat vorranging durch eine bestehenden Depression ausgelöst worden sei – eine Annahme, die nach den Recherchen von Rechtsanwältin Dr. Babette Tondorf höchst zweifelhaft erschien, die deswegen hartnäckig darauf drängte, dass ein Palliativmediziner als Zweitgutachter eingeschaltet wurde, der dann auch die These der Verteidigung bestätigte, dass die Tat unmittelbare Folge der Nebenwirkungen der aktuellen medizinischen Behandlung der Hirnmetastasen gewesen war (Kortison, Chemotherapeutikum, Bestrahlung). Die Mandantin, die sonst möglicherweise ihr Lebensende allein und getrennt von ihrem Mann in Haft erlebt hätte, wurde daraufhin aus der Untersuchungshaft entlassen. Sie und ihr Ehemann sind überglücklich, endlich wieder zusammen zu sein und ihren weiteren Weg gemeinsam gehen zu können.

Auch im familienrechtlichen Dezernat spielen Zeit und Gemeinsamkeit, Selbstverständlichkeiten und ihre bürokratische Verwaltung bisweilen eine Rolle. Das gilt vor allem für die sogenannten Regenbogenfamilien, also Familien, bei denen sich mindestens ein Elternteil als lesbisch, schwul oder transsexuell identifiziert und die deswegen um ihren gesellschaftlichen und rechtlichen Status kämpfen müssen. Vor allem sind diese Familien in der Konstellation der gleichgeschlechtlichen Zwei-Mütter-Familie noch immer auf die langwierige und belastende Stiefkindadoption mit einer Adoptionspflegezeit von oft mehr als einem Jahr angewiesen, damit beide Mütter rechtliche Eltern ihres gemeinsamen Wunschkindes werden können. Im vergangenen Jahr konnte Rechtsanwältin Lünsmann vor dem Familiengericht in Hamburg (AG Hamburg-Barmbek 885 F 192/15) immerhin den Verzicht auf die lange Adoptionspflegezeit erreichen und die Adoption innerhalb von weniger als sechs Monaten durchsetzen.

So unverzichtbar die Arbeit im konkreten Verfahren also für uns ist, so wichtig, ist den Rechtsanwältinnen und dem Rechtsanwalt der Kanzlei Menschen und Rechte daher auch die rechts- und gesellschaftspolitische Begleitung: sie dienen schließlich (auch) der Verbesserung der rechtlichen Grundlagen, auf die unsere Vertretung in Verwaltungsverfahren und Prozessen aufbaut. Rechtsanwalt Dr. Oliver Tolmein, der 2016 auch in den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin gewählt wurde, war bei drei Gesetzgebungsverfahren (Bundesteilhabegesetz, 4. Conterganstiftungsänderungsgesetz und Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften) als Einzelsachverständiger zu Anhörungen im Bundestag geladen. Außerdem ist er derzeit an der Novellierung des Landesbehindertengleichstellungsgesetzes Rheinland-Pfalz beteiligt.

Auch Rechtsanwältin Gabriela Lünsmann war und ist als Bundesvorstandsmitglied des LSVD (Lesben und Schwulenverband in Deutschland) rechts- und gesellschaftspolitisch aktiv- Zuletzt war sie an der Erstellung des gesundheitspolitischen Kapitels im Alternativbericht der Allianz der Nichtregierungsorganisation zur Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur „Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau“ (CEDAW) in Deutschland beteiligt. Für 2017 freut sie sich darauf, dass die Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2017 zum Themenjahr „Gleiches Recht für jede Liebe“ erklärt hat und hofft, dass das den wichtigen anstehenden rechtlichen Reformvorhaben den erforderlichen Aufwind gibt.

Rechtsanwältin Dr. Tondorf verknüpft 2016 mit 2017 auf ihre Weise: zusammen mit ihrem Vater Prof. Dr. Günter Tondorf, Rechtsanwalt und Strafverteidiger in Düsseldorf, der die Entstehung der Kanzlei Menschen und Rechte von Anfang an begleitet hat, schreibt sie an der vierten Auflage des Buches „Psychologische und Psychiatrische Sachverständige im Strafverfahren“ und an verschiedenen Kapiteln für das „Beck`schen Formularbuch für den Strafverteidiger“ – beide Werke werden im kommenden Jahr neu erscheinen.

Im Sommer wird die Kanzlei Menschen und Rechte dann auch zehn Jahre alt werden. Gut dass wir es noch geschafft haben, unsere Homepage, an der wir seit 2015 gearbeitet haben noch im letzten Sommer online zu bringen …. An Arbeit wird es uns angesichts der Vielzahl neuer rechtlicher Regelungen, die rechtlich bisweilen wenig überzeugend und unausgegoren sind (wie insbesondere das Bundesteilhabegesetz) wohl nicht mangeln.

Wir wünschen unseren Mandantinnen und Mandanten, den Freundinnen, Kollegen, Kolleginnen und Freunden sowie allen anderen, die unseren kurzen Jahresrückblick lesen ein erfreuliches, erheiterndes und ermutigendes Jahr 2017

Gabriela Lünsmann, Dr. Babette Tondorf, Dr. Oliver Tolmein und das gesamte Team der Kanzlei Menschen und Rechte (zu dem nun auch Bürohündin Emmy gehört)

 

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