Autonomieverlust durch neues Recht für Angehörige

28.05.2017 | AutorIn:  Gabriela Lünsmann | Blog, Allgemein, Aktuelles, Medizinrecht

Ein neu geschaffene Angehörigenvertretungsrecht wird die Möglichkeit der Einwilligung oder deren Versagung in Untersuchungen, Heilbehandlungen und ärztliche Eingriffe vorsehen. Die ÄrztInnen werden hierfür schon durch das Gesetz von der Schweigepflicht entbunden.

Mit dem „Gesetz zur Verbesserung der Beistandsmöglichkeiten unter Ehegatten und Lebenspartnern in Angelegenheiten der Gesundheitssorge und in Fürsorge-Angelegenheiten“ (BT Drs. 18/10485, BT Drs 18/12427) hat der Bundestag am 18.05.2917 eine Regelung verabschiedet, mit der erstmals Volljährige ohne ihre Einwilligung und ohne die Erteilung einer Vollmacht automatisch rechtlich von ihren Ehe- bzw. ihren eingetragenen LebenspartnerInnen vertreten werden. 

Eheleute und eingetragene gleichgeschlechtliche LebenspartnerInnen konnten nach bisher geltendem Recht weder Entscheidungen über medizinische Behandlungen für ihre nicht mehr handlungsfähigen PartnerInnen treffen noch diese im Rechtsverkehr vertreten, solange sie nicht als rechtliche BetreuerInnen gerichtlich bestellt oder im Rahmen einer Vorsorgevollmacht hierzu bevollmächtigt worden waren.

Das neu geschaffene Angehörigenvertretungsrecht sieht nun in § 1358 BGB die Möglichkeit der Einwilligung oder deren Versagung in Untersuchungen, Heilbehandlungen und ärztliche Eingriffe ebenso vor, wie das Recht zum Abschluss von Verträgen mit Ärzten, Krankenhäusern und Pflege-, Betreuungs- und Rehabilitationseinrichtungen. Die behandelnden ÄrztInnen werden hierfür bereits durch das Gesetz von der Schweigepflicht entbunden.

Die Neuregelung stellt einen erheblichen Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtsgüter dar; dies gilt umso mehr, als sie nicht nur, wie es in der Öffentlichkeit gelegentlich dargestellt wurde, für Notfallsituationen gilt. Der Gesetzestext sieht vielmehr gar keine zeitliche Beschränkung der Vertretung im Rahmen der Gesundheitssorge vor. Ob sich diese tatsächlich "faktisch", wie in der Gesetzesbegründung behauptet, durch die Beschränkung des Anwendungsgebietes, auf "einen überschaubaren Zeitraum von wenigen Tagen oder Wochen begrenzt und damit eines Missbrauchsgefahr wirksam entgegenwirkt" ist bestenfalls eine hoffnungsvolle Annahme. Bedenklich ist in diesem Zusammenhang, dass das Angehörigenvertretungsrecht auch bei psychischen Erkrankungen und Behinderungen greift. Insoweit ist auch zweifelhaft, ob die Regelung mit Art. 12 der UN-Behindertenrechtskonvention vereinbar ist.

Wer nicht durch seine Ehe- oder eingetragene LebenspartnerIn vertreten werden möchte, muss einen Widerspruch in das Zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer eingetragen lassen.

Hauptgrund für die gesetzliche Neuregelung ist die Entlastung der Betreuungsgerichte. Der Gesetzgeber führt zu Begründung an, dass schon bisher viele Menschen der – unzutreffenden – Auffassung waren, dass sie Entscheidungen für ihre Ehe- bzw. eingetragenen LebenspartnerInnen treffen konnten. Weit verbreitete Irrtümer sind jedoch selten ein guter Ratgeber für gesetzliche Regelungen.

Das neue Gesetz soll, sofern der Bundesrat ihm zugestimmt haben wird, zum 1. Juli 2018 in Kraft treten.

Der neue § 1358 BGB wird dann lauten:

§ 1358 BGB: Beistand unter Ehegatten in Angelegenheiten der Gesundheitssorge

(1)Jeder Ehegatte ist berechtigt, für den anderen Ehegatten gemäß § 630d Absatz 1 Satz 2 in Untersuchungen des Gesundheitszustandes, in Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einzuwilligen oder die Einwilligung zu versagen sowie ärztliche Aufklärungen nach § 630e Absatz 4 entgegenzunehmen, wenn der andere Ehegatte auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung diese Angelegenheiten nicht besorgen kann. Der Ehegatte ist dazu nicht berechtigt, wenn
1.die Ehegatten getrennt leben,
2.der andere Ehegatte einen entgegenstehenden Willen geäußert hat,
3.der andere Ehegatte eine andere Person zur Wahrnehmung dieser Angelegenheiten bevollmächtigt hat oder
4. für den anderen Ehegatten ein Betreuer bestellt ist.

(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 und hinsichtlich der dort genannten Angelegenheiten
1.sind behandelnde Ärzte gegenüber dem Ehegatten von ihrer Schweigepflicht entbunden und  2.kann der Ehegatte Krankenunterlagen einsehen.
(3)§ 1901a Absatz 1 bis 3, § 1901b Absatz 1 und 2 sowie § 1904 Absatz 1 bis 4 gelten entsprechend."

 

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