Kann Öffentlichkeit Öffentlichkeit erzwingen? Das NSU-Verfahren und das Gericht sehr alter Schule

03.04.2013 | AutorIn:  Dr. Oliver Tolmein | Nebenklage, Strafrecht

Die Auseinandersetzung zwischen Medien und dem OLG München über die Zulassung von Journalisten zum Prozess gegen den NSU spitzt sich weiter zu.

Nachdem bereits etliche versierte Strafprozessexperten, ehemalige Verfassungsrichter und Rechtswissenschaftler das Gericht für seine restriktive Medienpolitik kritisiert haben, haben jetzt die Mitglieder der Justizpressekonferenz in einem offenen Brief an das Gericht nachdrücklich für eine Übertragung der Verhandlung in einen weiteren Gerichtssaal plädiert.

Sie haben dabei sowohl auf die Praxis des Bundesverfassungsgerichts selbst verwiesen, die solche Möglichkeiten nutzt, als auch auf die europäischer Gerichte.

Die Argumentation des OLG München, dass so eine Übertragung rechtlich unzulässig wäre, gerät damit immer mehr unter Druck. Das Verfahren entwickelt sich so schon vor dem ersten Verhandlungstag zu einem bemerkenswerten Exempel dafür, was Öffentlichkeit bewegen oder eben auch nicht bewegen kann.

Meines Erachtens spricht einiges dafür, dass sich in München nichts bewegen wird, denn wenn man die umstritten Sicherheitsverfügung und die Interviews des Gerichtspräsidenten und der Pressesprecherin liest, stellt man fest, dass hier ein durch und durch obrigkeitsstaatliches Justizdenken Ausdruck findet, das nicht wegen mangelnder Sensibilität keine türkischen Medien für das Verfahren akkreditiert hat, sondern weil es das nicht nötig findet.

So, wie es sich auch an den vielen Nebenklägern stört, ohne dass ausdrücklich zum Ausdruck bringen zu können. Und so, wie es alle staatsfernen Teilnehmer des Prozesses, einschließlich der Verteidiger, Nebenklagevertreter und der Nebenkläger selbst, unter Störer-Generalverdacht stellt und deswegen zum Objekt von Durchsuchungen macht.

Der Prozess gegen die Angeklagten aus dem NSU wird möglicherweise irgendwann mehr über die Verfasstheit von Teilen der bundesdeutschen Justiz erzählen, als über die Schuld oder Nicht-Schuld derer gegen die verhandelt wird...

Bleibt zu hoffen, dass die so zahlreich im Gerichtssaal sitzenden Nebenklägervertreter aus dieser Situation etwas machen. Im Streit um die Herstellung der Öffentlichkeit blieb die halbe Hundertschaft an Rechtsanwälten bislang auffallend unauffällig...

 

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