Nachtwache statt Fesselung: Sozialgericht macht’s möglich

29.12.2011 | AutorIn:  Dr. Oliver Tolmein | Behindertenrecht

Das Sozialgericht Freiburg hat in einem bemerkenswerte Beschluss den Landkreis Böblingen im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, einer in erheblichem Maße pflegebedürftigen 80-jährige Frau eine Nachtwache zu finanzieren, damit sie nicht mehr an ihrem Bett festgebunden werden muss (Naja - "Muss"...)

Angesichts der über 6.000 EUR zusätzlicher Kosten hatte er sich dagegen vehement gewehrt. Bemerkenswert ist an der Entscheidung vor allem, dass sie bemerkenswert erscheint, statt sich von selbst zu verstehen.

Bemerkenswert ist zuallererst einmal aber, dass die Fesselung der Frau überhaupt von einem Betreuungsgericht genehmigt worden ist (und es steht nicht zu erwarten, dass der zuständige Betreuungsrichter dereinst wegen Rechtsbeugung belangt werden wird.).

Der einschlägige § 1906 Abs. 4 BGB erlaubt eine entsprechende freiheitsentziehende Maßnahme nämlich nur, wenn sie zum Wohl des Betreuten "erforderlich" ist - erforderlich ist sie aber nicht, wenn es, wie hier, weniger einschneidende Möglichkeiten als die nächtliche Freiheitsberaubung gibt und die fiskalischen Interessen des Sozialhilfeträgers sind auch etwas anderes als das "Wohl" der Betroffenen.

Wie ich die Entscheidung pflegepolitisch bewerte, können Sie in meinem FAZ-Blog zu Biopolitik nachlesen.

(SG Freiburg, S 9 SO 5771/11 ER)

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