Recht bekommen und Cannabis anbauen dürfen ist zweierlei: OVG NRW zaudert

20.12.2012 | AutorIn:  Dr. Oliver Tolmein | Medizinrecht

Es gibt Prozesse, an denen kann man auch ein wenig verzweifeln...Der gegen die Bundesrepublik Deutschland in Sachen Cannabis-Eigenanbau von schwerkranken Patienten ist so ein Fall.

Gerade hat uns das Oberverwaltungsgericht Münster das Urteil zugestellt. Eigentlich könnte man es sich besser nicht wünschen.

Die Position der Gegenseite wird rechtlich auseinandergenommen, es wird hervorgehoben, dass schwerkranke Patienten, die keine andere Therapieoption haben, einen Anspruch auf eine Genehmigung für den Eigenanbau von Cannabis haben können, der auch nicht dadurch zunichte gemacht werden darf, dass überspannte Anforderungen an Sicherungsmaßnahmen für die Kleinplantagen zur medizinischen Versorgung gestellt werden dürfen.

Auch das Lieblingsargument aus dem Bundesgesundheitsministerium, dass die BRD mit einer Genehmigung des Eigenanbaus für Patienten, gegen das internationale Suchtstoffübereinkommen von 1961 verstoßen würde, wird gelassen beiseite gewischt: zum einen soll das Übereinkommen dieses Fall - wie auch wir meinen - gar nicht erfassen, zum anderen sei hier in der Abwägung zwischen öffentlichem Interesse (an Gesundheitsversorgung der eigenen Bürger) und internationalen Verpflichtungen dem öffentlichen Interesse der Vorzug zu geben. Wunderbar. Als stünde es in meinem eigenen Schriftsatz.

Nur leider haben wir den Prozess, in dem eigentlich alle Rechtsfragen zu unseren Gunsten entschieden worden sind, dennoch verloren: für den Kläger stünde mit dem cannabinoidhaltigen "Dronabinol" eine gleichwirksame Therapiealternative zur Verfügung, so dass es keinen Grund gäbe, ihm den Eigenanbau zu gestatten.

Tatsächlich hat die AOK-Rhein-Nektar, nach dem der Mandant jahrelang erfolglos bis hin zum Bundessozialgericht gegen sie auf Übernahme der Kosten für Dronabinol geklagt hat, aus heiterem Himmel kurz vor der mündlichen Verhandlung eine Kostenübernahme seiner Krankenkasse für Dronabinol erhalten.

Wir haben allerdings vorgetragen, dass nach den bisherigen (kurzen) Erfahrungen Dronabinol nicht als alleiniges Therapeutikum in Betracht kommt, sondern wohl nur die Cannabis-Behandlung flankieren kann.

Ein Hinweis, der dem Bundesamt für Arzneimittel, das die Bundesrepublik im Prozess vertreten hat, auch eingeleuchtet hat, weswegen sie am Schluss im Wesentlichen argumentierten, dass die Krankenkasse gegebenenfalls auch die Kosten für aus den Niederlanden importiertes Medizinalhanf übernehmen müsste (was sie aber nicht tut).

Nur das OVG selbst ist aus eigener Erkenntnis, ohne Sachverständigengutachten oder wenigstens eigene Fragen an die behandelnden Ärzte zu der Überzeugung gekommen, dass es hier eine gleichwertige Therapiealternative gäbe - eine recht eigenwillige (und angreifbare) Auffassung von § 86 VwGO (Untersuchungsgrundsatz).

Was haben wir nun: Wir haben Recht. Aber keine Anbauerlaubnis. Und Revision ist auch nicht zugelassen.

Also: Mit aller Energie an die Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht und gegebenenfalls darauf hoffen, dass jedenfalls der nächste Patient, dessen Klage wir gerade vertreten, nicht kurz vor der nächsten OVG-Entscheidung plötzlich "Dronabinol" bewilligt bekommt...

(Siehe auch hier...)

 

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