Recht eng: Barrierefreiheit bei ÄrztInnen - und bei AnwältInnen?

03.12.2008 | AutorIn:  Dr. Oliver Tolmein | Recht Diskriminiert

Der 3. Dezember (heute!) ist Tag der Menschen mit Behinderungen. Der unsinnige Brauch, Menschengruppen schönen Gedenktage zu schenke, statt sie regelmäßig gleich zu behandeln, führt heute dazu, dass Erfolgsmeldungen über Barrierefreiheit präsentiert werden.

Zum Beispiel von der Stiftung Gesundheit, die mitteilt, dass bundesweit mehr als 35 000 Arzt- und Zahnarztpraxen barrierefrei seien.

Für Betroffene ist das immer ein Grund, die Verhältnisse ins rechte, nicht ganz so strahlende Licht zu rücken: Behindertenverbände weisen darauf hin, dass viele ÄrztInnen nur glauben, ihre Praxen seien behindertengerecht, weil sie die unterschiedlichen Anforderungen der Betroffenen nicht kennen.

"Wir fragen danach, ob die Praxis ebenerdig ist oder gegebenenfalls per Fahrstuhl zu erreichen ist und danach, ob die Räume behindertengerecht sind", sagt Dr. Peter Müller von der Stiftung Gesundheit, die die Trägerin der Arzt-Auskunft ist.

"Das heißt, ob sie großflächig auch von Rollstuhlfahrern benutzbar sind." Doch schon diese Kriterien sind unklar: "Bei rollstuhlgerecht gehen wir nur von normalen, nicht aber von den größeren elektrischen Rollstühlen aus", präzisiert Müller. Soll heißen: FahrerInnen größerer Rollstühle kommen in angeblich "barrierefreie" Praxen gar nicht hinein, weil sie zum Beispiel nicht in einen schmalen Aufzug passen.

Um solche Erlebnisse zu vermeiden, dringen Behindertenverbände auf differenziertere Auskünfte. Gehörlosenverbände wollen zum Beispiel wissen, ob Praxen speziell für Gehörlose ausgelegt seien. Auch der Bremer Verein "Selbstbestimmt Leben" hatte kürzlich darauf hingewiesen, dass die meisten Frauenarztpraxen in Bremen, die sich im Internet als behindertengerecht bezeichneten, tatsächlich nicht den Mindestkriterien der Behindertenverbände (etwa Ebenerdigkeit) entsprachen. Der Verein schlug deshalb vor, die Praxen sollten ihre Ausstattung einfach frei beschreiben

Wir RechtsanwältInnen haben an sich wenig Grund zu lästern: Die Barrierefreiheit von Rechtsanwaltskanzleien wird gar nicht zentral erfasst und auch auf den Homepages der KollegInnen liest man wenig darüber.

Die Kanzlei Menschen und Rechte kann immerhin stolz verkünden: Abgesehe davon, dass wir uns immer noch mit unserem Vermieter über eine Braillezeile auf dem Klingelschild streiten und über den Öffnungstacker für den elektrischen Türöffner von außen, sind wir für FahrerInnen von Rollstühlen aller Breiten und Längen, für Sehbehinderte und Gehörlose problemlos zu erreichen und haben auch eine große Behindertentoilette in der Kanzlei. Und das nicht nur am 3. Dezember...

 

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