Richterin nicht kniggekonform: "Doch das nehme ich Ihnen jetzt persönlich übel"
16.12.2011 | AutorIn: Dr. Oliver Tolmein | Nebenklage, Strafrecht
Das Beschleunigungsgebot ist eine an sich vernünftige strafprozessuale Regelung, die aber bisweilen befremdliche Ausprägungen erfährt.
Am dritten Verhandlungstag konnten wir dagegen nicht - wie ursprünglich geplant – bis 16 Uhr verhandeln: "Kammerinterne Gründe" führte das sonst so beschleunigte Gericht dunkel an. Als die Verteidiger dann kurz vor Schluss Anträge auf Aufhebung der Haftbefehle für die Angeklagten stellten - man weiß dann immer gar nicht, ob das raffiniertes Timing sein soll oder ob es ihnen nur nicht früher eingefallen ist - durften sie noch begründen.
Die Staatsanwältin, freundlich vom Gericht befragt, wollte zu dem Vorgetragenen lieber schriftlich Stellung nehmen, ok, Verhandlung geschlossen, ach herrje, da sitzt ja noch die Nebenklage, 14:58 Uhr... die will doch nicht etwas?
Doch, ich will. Nach drei, vier Sätzen unterbricht mich eine Richterin, die schon den Autoschlüssel in der Hand hat und verlangt von mir beschleunigtes Mundhalten: "Muss das jetzt sein? Machen Sie das doch schriftlich. Es ist 15:02 Uhr!" (ein freundliches, kniggekonformes: „Lieber Herr Rechtsanwalt, ich habe es wirklich eilig, könnten Sie sich nicht vielleicht auf eine schriftliche Stellungnahme beschränken" hätte es besser getan).
"Nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich möchte noch zwei Sätze..." "Doch das nehme ich Ihnen jetzt persönlich übel!" Nein, kein Smiley weit und breit. Damit werde ich wohl leben müssen.
Ich bin mal gespannt, wie das Gericht reagiert, wenn ich bei (Un-)Gelegenheit mal "nebenklageinterne Gründe" dafür geltend mache, dass wir die Verhandlung vorzeitig beenden müssen. Ich befürchte mit dem Autoschlüssel werde ich nicht wedeln dürfen.
Weiterführende Links
- Beschleunigungsgebot: www.jurablogs.com/de/aufrechterhaltung-untersuchungshaft-beschleunigungsgebot