Sammelklage in Deutschland: Hoffen auf die EU, weil der Bundestag nicht geholfen hat

15.11.2012 | AutorIn:  Dr. Oliver Tolmein | Medizinrecht

Die Liste der Beklagten im Prozess wegen minderwertiger Brustimplantate der mittlerweile insolventen französischen Firma PIP vor dem Landgericht Karlsruhe ist lang: Der Chirurg, der das Implantat eingesetzt hat, sieht sich Schmerzensgeldforderungen ausgesetzt, der TÜV Rheinland, die Bundesrepublik Deutschland höchst selbst, der Lieferant des Industriesilikons und der französische Haftpflichtversicherer der Pleite gegangenen Herstellerfirma.

Ob es um "Viel Feind viel Ehr'"geht oder um die Hoffnung, bei vielen Beklagten möge wenigstens ein passender Zahlungspflichtiger dabei sein, ist auf Grundlage der Medienberichte schwer zu ermitteln.

Der Vorsitzende Richter der 2. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe hat wohl einen ausführlichen rechtlichen Hinweis erteilt, der den Medien aber nur die schlichte Feststellung wert war, er sehe "rechtliche Probleme" hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche: überraschender wäre es gewesen, er hätte keine rechtlichen Probleme gesehen.

Rechtsanwalt Dr. Oliver Tolmein hat das Verfahren zum Anlass genommen in der Sendung "Politikum" auf WDR 5 für die Etablierung von Sammelklagen im deutschen Recht einzutreten - und zwar für echte Sammelklagen, nicht für eher fragwürdige Aktionen, wie sie eine Klägerkanzlei im Internet unter "PIP-Sammelklage" bewirbt.

In dem Kommentar geht es unter anderem auch um die Bemühungen der EU auf diesem Gebiet:

"Die Europäische Union hat im Februar letzten Jahres (2011) eine öffentliche Konsultation auf den Weg gebracht: 'Kollektiver Rechtsschutz hin zu einem kohärenten europäische Ansatz.'

Das Projekt, das auch zur Entwicklung eines EU-einheitlichen Schadensersatzrechtes beitragen könnte, ist anspruchsvoll - aber wichtig: Es könnte den Weg für ein effizientes Schadensersatzrecht bahnen, das den Verbrauchern gerecht wird.

Gleichwohl würde es andere Wege beschreiten als das US-amerikanische Recht, das auch dadurch geprägt ist, dass keine Sozialversicherung den Geschädigten auf jeden Fall zur Seite steht.

Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages hat - gegen die Stimmen von SPD und Grünen - schnell klare und ablehnende Worte gefunden: Defizite bei der Durchsetzung materieller Rechte vermöge man nicht zu erkennen, kollektiven Rechtsschutzinstrumenten stehe man dafür aber aus prinzipiellen Gründen skeptisch gegenüber. Das kennt man aus dem Antidiskriminierungsrecht - geholfen hat die Verweigerungshaltung auf Dauer niemandem.

Das letzte Wort in rechtlichen Angelegenheiten wird immer seltener im Bundestag gesprochen. Und mit Blick auf das Schadensersatzrecht und Prozesse wie das jetzt in Karlsruhe begonnene Brustimplantatverfahren ist das auch gut so."

 

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